Sammelalbum
1975



Aus "Bravo" Ausgabe 46/1975

Das ist der Rock-Sound der Matrosen!

Wieder mal ein paar neue Töne auf der Rock-Szene! Eine große Rolle spielt dabei ein 40 Jahre altes Musik-Ungetüm namens „Nickelodeon", das Ihr oben seht. Die Gruppe SAILOR hat es für ihre Auftritte elektronisch auf den neuesten Stand der Technik gebracht. Hier erfahrt Ihr die SAILOR-Story...

Ein Hauch von Nostalgie weht über die Bühne, wenn SAILOR (Seemann) auftreten. Ihre Kostüme sind den Uniformen englischer Seeleute aus dem vergangenen Jahrhundert nachempfunden. Das wichtigste Instrument der Gruppe ist ein Nickelodeon, eine Art Klavier, das einmal der Vorläufer der Musikbox war. Und was die vier Boys musikalisch bieten, scheint auch eher aus dem vergangenen Jahrhundert zu stammen, als der Rock des 20. Jahrhunderts zu sein.
In "Traffic Jam" beschreiben sie den Straßenverkehr des 18. Jahrhunderts, untermalen den harmonischen Gruppengesang mit Geigen, und der Rhythmus ähnelt dem Trampeln beschlagener Pferdehufe. "Blue Desert" erinnert an Shanties, die alten Seemannslieder.
Und trotzdem - die englischen Fans sind überzeugt, dass dieser Gruppe die Zukunft gehört. Seit den Beatles gab es keine Gruppe mehr, die so einfache und schöne Melodien komponierte, die so vielseitig und einfallsreich sang und ihre Musik so präsentierte. Folklore mischen SAILOR mit Rock, dem Surf-Sound der Beach Boys, und klassischen Tönen. Manche Lieder klingen wie das sanfte Rauschen der Brandung an einem warmen Sommerabend, andere sind so heavy, dass auch Led Zeppelin stolz darauf sein könnten.
Angefangen hatte alles 1970. Da studierten Schlagzeuger Grant Serpell (29), Bassist Philip Pickett (29), Nickelodeon-Spieler Henry Marsh (26) und Gitarrist Georg Johan Tjegodiev-Sakonski Kajanus (29) an der Pariser Sorbonne. Sie freundeten sich an und beschlossen, ihr Stipendium durch Konzerte aufzubessern. Im Café Le Matelot fanden sie einen Job. "Wir kamen sofort gut an und durften seitdem dort jeden Tag spielen", erzählt Georg Kajanus. Er ist als Texter, Komponist und Produzent der Gruppe auch ihr musikalischer Kopf. "Einen Gruppennamen hatten wir noch nicht, also tauften wir uns einfach nach dem Café: SAILOR." (Cafe Le Matelot heißt auf deutsch Café zum Seemann.)
1971 war es mit der Herrlichkeit vorbei. Das Café brannte aus. "Weil wir unser Studium aber ohnehin beendet hatten, machte uns das nicht viel aus. Wir trennten uns, jeder ging seinen eigenen Weg." Der führte die vier nach England. "Grants Vater wurde als Professor nach London berufen, Philip ist Engländer, obwohl er in Münster geboren wurde, Henry ging wieder in seine Heimatstadt Bath in der Grafschaft Somerset, und ich hatte keine Lust, wieder nach Norwegen zu gehen, wo ich auch geboren wurde - in Trondheim", erzählt Georg.
Die vier sahen sich drei Jahre lang nicht. "Wir schrieben uns zwar gelegentlich, aber das war auch alles." 1974 lernt Philip Pickett den Musikverleger Steve Morris kennen. Steve bietet ihm einen Plattenvertrag an. "Da hatte ich natürlich nichts anderes zu tun, als meine arten Freunde wieder zusammenzutrommeln. Ich war überzeugt, dass wir vier wesentlich mehr Chancen hätten, als wenn ich im Alleingang mein Glück versuchte."
Philip behielt recht. 1974 erschien die erste LP von SAILOR in England. "Wir kamen damit zwar nicht in die Hitparaden, bekamen aber jede Menge Angebote für Tourneen, und der Erfolg bewies, dass wir auf dem richtigen Weg waren."
Bei uns stellten sich SAILOR schon im Bremer TV-Musikladen und in "Pop 75" vor. "Spätestens 1976 werden wir auch in den Hitparaden auftauchen - anderenfalls müsste es schon mit dem Teufel zugehen."

Der Text unter den Bildern:
Henry Marsh entdeckte das Nickelodeon in Paris. Es wurde 1936 gebaut.
Gitarrist Georg Kajanus stammt aus Norwegen. Er ist der Kopf der Gruppe.
Bassist Philip Pickett kommt aus Münster. Er ist der zweite Mann am Nickelodeon.
Schlagzeuger Grant Serpell kommt aus Paris. Er gründete SAILOR vor fünf Jahren.


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