Sammelalbum
2008



Aus "Good Times" Ausgabe 5/2008

Kreuzfahrten ohne Ende

1973 lichteten sie den Anker, und 35 Jahre später schippert ihr Musikdampfer noch immer stolz um die Welt. Hits wie "A Glass Of Champagne", "Girls Girls Girls" oder "One Drink Too Many" haben die Zeit unbeschadet überstanden und tönen noch immer aus Kaschemmen, Radios und Musikboxen. Alan Tepper unterhielt sich mit SAILOR Phil Pickett über Champagner, Weib und Gesang.
SAILOR legten während der Glam-Blütezeit los, traten aber in Matrosenanzügen auf - seltsam, oder?
Ja, aber genau das hat uns zum jahrelangen Erfolg verholfen. Wir hatten ein eigenes Image und einen charakteristischen Sound. Erst vor einer Woche traten wir bei einem Hardrock-Festival in Bratislava auf, bei dem auch viele junge und extrem harte Bands gespielt haben. Als das Publikum unsere Musik hörte, waren die Leute hin und weg, eben weil sie sich von den anderen unterschied.
Ihr habt ein unverwechselbares Klangbild mit viel Melancholie, Romantik und einem Varieté-Charme. Wie seid ihr darauf gekommen?
Ich bin während meiner Tätigkeit als Komponist und Arrangeur für den Musikverlag Chappel/Morris auf ein Demo von Georg Kajanus gestoßen. Es gefiel mir sofort, und so lud ich ihn zum Essen zu meiner Frau und mir ein. Georg ist ein sehr höflicher, eher zurückhaltender Mensch, aber das Eis brach schnell. Zuerst nahmen wir die Platte HI HO SILVER! unter dem Bandnamen Kajanus/Pickett auf, die aber kommerziell ein Reinfall wurde. Eines Tages erzählte Georg mir von einer Art Musical, das er gerade schrieb. Es sollte die Atmosphäre der zwanziger Jahre wieder auferstehen lassen. Wir suchten dann nach Musikern und fanden den Drummer Grant Serpell, der zuvor bei der Jazzrock-Band Affmity gespielt hatte, und Henry Marsh, Keyboarder und Gitarrist von Gringo. Im Proberaum lief dann alles wie von selbst, die Idee mit dem Musical wurde verworfen und wir wurden zu SAILOR.
Ihr konntet recht schnell einen Platten vertrag ergattern!
Ja, ich hatte gute Kontakte zu CBS, die uns sofort einkauften. Leider brachte das Debüt SAILOR nicht den erhofften Erfolg. Wir mussten erst mal häufig live spielen und hatten ein Problem: Wie konnten wir den Studiosound mit Glockenspiel, Mini-Orgel und Piano auf die Bühne bringen? Georg hatte die Idee, schnappte sich eine Säge, einen Flammer und viel Holz und zimmerte das Nickelodeon zusammen. Ich stand vom Publikum aus gesehen meist links und bediente die Bass-Tasten, Henry war auf der rechten Seite für die hohen Frequenzen und Effekte verantwortlich. Die Roadies haben immer geflucht, wenn sie den gewaltigen Kasten transportieren mussten, aber er wurde zu einem weiteren Markenzeichen. Wenn wir heute live spielen, werden wir immer noch gefragt: 'Habt ihr auch das Nickelodeon dabei?'
Wann kam der große Erfolg?
Wir absolvierten einige Konzerte mit Kiki Dee und eine Tour mit Steve Harley & Cockney Rebel. Das half ein wenig, aber erst als SAILOR in den Niederlanden mit Gold ausgezeichnet wurde, merkte unsere Plattenfirma, dass noch mehr in der Band steckte. Bei den Aufnahmen zum zweiten Album TROUBLE kam Georg mit einem Demo ins Studio. Wir hörten den Titel und wussten sofort, dass hier unser dringend benötigter Hit war - "A Glass Of Champagne". Von da an ging es bergauf, und Hit folgte auf Hit. Ich verließ die Gruppe 1977, um mich einer Solokarriere zu widmen, bin kurze Zeit später wieder eingestiegen, doch die Luft war leider raus. Wir spielten noch einige Konzerte, aber 1979 gingen wir dann erst mal vor Anker.
Endgültig?
Ich bin dann mit Henry Marsh in die USA, wo wir mit Gavin und Virginia David ein Album aufnahmen, DRESSED FOR DROWNING, das - unbeabsichtigt von unserer Seite - noch unter dem Namen SAILOR veröffentlicht wurde. Carl Wilson von den Beach Boys, der immer ein großer Fan gewesen ist, mochte das Album sehr und spielte mit mir später noch den Song "Whatever's In Your Heart" ein. Dann bin ich bei Culture Club eingestiegen, für die ich auch "Karma Chameleon" schrieb. Die anderen verfolgten ihre Projekte, z.B. nahm Geog Solo-Alben auf. Zu Beginn der Neunziger erhielten wir zahlreiche Anfragen, wieder als SAILOR zu spielen. Besonders der deutsche Veranstalter Rainer Haas machte uns den Mund wässrig. Ich war zuerst skeptisch, da Oldie-Festivals in England eher unrühmliche Veranstaltungen sind. Aber die Konzerte in Deutschland begeisterten mich. Von da an sah man uns wieder auf der Bühne, wir nahmen Platten auf und hatten auch mit z.B. "The Secretary" einen Erfolg. Georg stieg 1995 aus, da ihm das Live-Spielen noch nie so behagt hatte, und er wurde durch Peter Lincoln ersetzt.
Was steht aktuell an?
Der Posten des Sängers wurde erneut umbesetzt, jetzt macht das Oliver Marsh, Henrys Sohn, der quasi mit SAILOR aufgewachsen ist, neben uns drei Originalmitgliedern. Wir bestreiten sehr viele Gigs in ganz Europa und hoffen, demnächst mal wieder ins Studio gehen zu können. Ach ja, dies möchte ich bitte noch loswerden: beste Grüße an eure Leser und vielen Dank für die jahrelange Treue!


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